Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung

Vorsorgeverfügungen

Anforderungen an die Konkretisierung einer Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

BGH, Beschluss vom 06.07.2016, Az. XII ZB 61/16
Bereits im letzten Jahr hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Anforderung an die Konkretisierung einer Patientenverfügung sowie Vorsorgevollmacht beschäftigt.
Hintergrund war der Streit dreier Töchter, die sich nicht darüber einigen konnten, ob eine bereits eingeleitete künstliche Ernährung der Mutter, welche einige Jahre zuvor einen Hirnschlag erlitten hatte, fortgeführt werden sollte.
Die Mutter hatte in Patientenverfügungen niedergelegt, dass sie wünsche, dass lebensverlängernde Maßnahmen unter anderem dann unterbleiben sollten, wenn medizinisch eindeutig festgestellt werde, dass aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt. Darüber hinaus sollte eine der streitenden Töchter an ihrer Stelle mit den behandelnden Ärzten alle erforderlichen Entscheidungen absprechen und ihren Willen im Sinne ihrer Patientenverfügung einbringen. Diese Anordnung in der Patientenverfügung hält der Bundesgerichtshof für nicht hinreichend konkret, um hierauf den Abbruch der künstlichen Ernährung stützen zu können. Dazu bedarf es nach Ansicht des BGH einer konkreten Behandlungsentscheidung, woran es bei der bloßen schriftlichen Äußerung, keine lebenserhaltenden Maßnahmen zu wünschen, fehle.
Diese Rechtsprechung setzt der BGH mit dem aktuellen nachfolgenden Beschluss fort.

BGH, Beschluss vom 8. 2. 2017, Az. XII ZB 604/15
In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall wurde die Betroffene aufgrund eines Schlaganfalls im Jahr 2008 und eines Herzkreislaufstillstandes in einem wachkomatösen Zustand durch Magensonde künstlich ernährt.
1998 hatte die Betroffene eine Patientenverfügung mit folgendem Wortlaut verfasst:

„Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten.
Dagegen wünsche ich, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, dass ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde, oder dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, oder dass aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt, oder
dass es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt.
Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung. Aktive Sterbehilfe lehne ich ab.“

In derselben Urkunde erteilte sie für den Fall, dass Sie Außerstande sein sollte, ihren Willen zu bilden oder zu äußern, ihrem Sohn als Vertrauensperson die Vollmacht,

„An meiner Stelle mit der behandelnden Ärztin (…) alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen. Die Vertrauensperson soll meinen Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einbringen und in meinem Namen Einwendungen vortragen, die die Ärztin (…) berücksichtigen soll.“

Nach den Ausführungen des BGH muss eine Patientenverfügung hinreichend konkret sein und dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen. Auf der anderen Seite dürften die Anforderungen an die Bestimmtheit auch nicht überspannt werden.
Nach Ansicht des BGH sind in dem vorliegenden Fall weitere Feststellungen zu der Frage notwendig, ob der konkrete Zustand der Betroffenen im Wachkoma ihr Bewusstsein entfallen lässt und ob in diesem Fall eine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Auch sei zu prüfen, ob ein Abbruch der künstlichen Ernährung dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen entspreche. Dieser sei anhand konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln und zwar auch hinsichtlich früherer mündlicher oder schriftlicher Äußerungen.

Zusammenfassung
Nach Ausführung des BGH genügt eine Patientenverfügung den Anforderungen an eine Konkretisierung und damit Bestimmtheit nur, wenn sowohl die Behandlungssituation, in der die Verfügung zur Anwendung kommen soll, als auch die ärztlichen Maßnahmen, die durchgeführt oder unterlassen werden sollen, genau bezeichnet werden.
Je konkreter eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht gefasst ist, desto eher lässt sich der tatsächliche Wille des Betroffenen ermitteln und eine Auslegung vermeiden.
Bei Patientenverfügung und Vorsorgevollmachten handelt es sich um Vorsorgemaßnahmen, die die Erfüllung des eigenen Willens sicherstellen sollen, wodurch auch Streitigkeiten von Angehörigen vermieden werden können. Dies wird nur erreicht, wenn die Verfügungen den Anforderungen an die Konkretisierung genügen.
Bereits vorhandene Verfügungen sollten vor dem Hintergrund überprüft werden. Generell empfiehlt es sich, zu prüfen, ob bereits vorgenommene Verfügungen auch den aktuellen Willen wiedergeben. Nicht selten ändern sich Ansichten und Wertvorstellungen aufgrund von Erfahrungen, Krankheiten etc., so dass frühere Ansichten überholt sind. Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten sollten jeweils auf dem aktuellen Stand sein.