Hartnäckige Irrtümer im Erbrecht

Erbe & Schenkung

Hartnäckige Irrtümer im Erbrecht

Viele Erblasser und Erben haben falsche Vorstellungen vom Erbrecht. Dabei halten sich die nachfolgenden Irrtümer besonders hartnäckig:

1. Nach dem Tod des Ehegatten erbt der andere automatisch alles
Einer der häufigsten Irrtümer ist der, dass dem Ehegatten nach dem Tod des anderen automatisch alles gehört. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Vielmehr bildet der überlebende Ehegatte nach gesetzlicher Erbfolge mit Kindern des Verstorbenen eine Erbengemeinschaft.
Selbst für den Fall, dass der Verstorbene keine Kinder hatte, erbt der Ehegatte nach gesetzlicher Erbfolge nicht allein.

Beispiel:
Herr X ist seit 20 Jahren verheiratet mit seiner Ehefrau Y. Kinder haben beide nicht, die Eltern sind jeweils vorverstorben, Herr X hat noch drei Brüder.
Dann verstirbt Herr X. Entgegen weitläufiger Ansicht wird Herr X nicht allein beerbt von seiner Ehefrau, vielmehr bildet nach gesetzlicher Erbfolge seine Ehefrau eine Erbengemeinschaft mit seinen drei Brüdern.
Dies kann insbesondere dann sehr belastend für den überlebenden Ehegatten sein, wenn das wesentliche Vermögen aus einer selbstbewohnten Immobilie besteht, die zur Hälfte dem verstorbenen Ehegatten gehörte und nunmehr zur Hälfte im Eigentum der Erbengemeinschaft steht.

2. Ich kann meine Kinder vollständig enterben
Richtig ist, dass man abweichend von der gesetzlichen Erbfolge erbberechtigte Personen „enterben“ kann.
Dies bedeutet jedoch lediglich, dass die enterbten Personen nicht die Rechtsstellung eines Erben haben und somit nicht Rechtsnachfolger des Verstorbenen sind. Allerdings haben Kinder einen Anspruch auf einen bestimmten Mindestanteil am Nachlass des Verstorbenen, den sogenannten Pflichtteil. Dieser lässt sich nur in absoluten Ausnahmefällen entziehen. Dabei handelt es sich nicht um eine Teilhabe am Nachlass, der Pflichtteil beinhaltet einen Zahlungsanspruch gegen den/die Erben.

3. Ich verteile im Testament die Wertgegenstände an bestimmte Personen und vermeide damit Streit
Nicht selten denken Testierende, wenn sie möglichst detailliert ihren Besitz bestimmten Personen vermachen, sei alles geregelt.
Dabei wird jedoch häufig vergessen, einen Erben zu benennen. Der Erblasser muss einen Rechtsnachfolger bestimmen. Das sind nicht automatisch diejenigen, denen etwas vermacht wird. Wenn der Erblasser nur bestimmte Wertgegenstände verteilt, muss das Testament zur Frage, wer Erbe geworden ist, ausgelegt werden. Dies sollte vermeiden werden.

4. Wenn ich nicht erben will, muss ich einfach nichts tun
Das ist falsch. Es gibt immer noch den weit verbreiteten Irrtum, dass eine Erbschaft ausdrücklich angenommen werden muss.
Tatsächlich ist es jedoch umgekehrt. Es gilt der sogenannte „Vonselbsterwerb“, d.h. wenn eine erbberechtigte Person nicht Erbe sein will, muss sie das Erbe ausschlagen. Dies hat innerhalb von sechs Wochen zu erfolgen, entweder beim Nachlassgericht oder bei einem Notar. Die Frist beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem der Erbe vom Todesfall und der Tatsache, dass er Erbe ist, erfährt.

5. Wenn ich das Erbe ausschlage, erhalte ich meinen Pflichtteil
Wer die Erbschaft ausschlägt, verliert grundsätzlich auch seinen Anspruch auf den Pflichtteil. Von dieser Grundsatzregel gibt es Ausnahmen. Wer als erbberechtigte Person das Erbe ausschlagen und den Pflichtteil geltend machen möchte, sollte sich vorher in jedem Fall beraten lassen, damit geprüft wird, ob ein Ausnahmefall tatsächlich vorliegt.

6. Der Nachweis des Erbrechts kann nur durch einen Erbschein geführt werden
Der Erbe muss gegebenenfalls gegenüber Behörden, Versicherungen oder Banken nachweisen, dass er Erbe geworden ist.
Er hat aber die Möglichkeit, den Nachweis seines Erbrechts auch in anderer Form als durch einen Erbschein zu erbringen.
Ein notarielles Testament gilt in der Regel als ausreichender Nachweis, sofern die erbberechtigte Person namentlich benannt ist.

7. Das gemeinschaftliche Testament von Eheleuten kann von jedem Ehegatten formlos widerrufen werden.
Eheleute treffen in gemeinschaftlichen Testamenten häufig sogenannte wechselbezügliche Verfügungen. Das heißt, dass sie sich gegenseitig beispielsweise als Alleinerben einsetzen und der eine Ehegatte dies tut, da der andere dies ebenfalls verfügt.
Der Widerruf dieser Verfügungen gegenüber dem Ehepartner ist zwar jederzeit möglich, muss jedoch notariell beurkundet werden.
Die notarielle Beurkundung ist auch dann erforderlich, wenn die Eheleute das gemeinschaftliche Testament eigenhändig und nicht in notarieller Form errichtet haben.
Wirksam ist der Widerruf zudem erst dann, wenn er dem anderen Ehepartner zugeht.

8. Wer unter Betreuung steht, kann kein Testament errichten
Eine unter Betreuung stehende Person kann durchaus ein wirksames Testament errich-ten. Der sogenannte Einwilligungsvorbehalt erstreckt sich nicht auf das Testament.
Die Anordnung einer Betreuung allein führt daher nicht zur Unwirksamkeit eines Tes-tamentes, der Betreute muss jedoch testierfähig sein.

9. Ich verschenke mein Vermögen zu Lebzeiten – dann gibt es keinen Streit
Leider hilft diese Streitvermeidungsstrategie in der Praxis nicht immer.
Lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an Kinder oder andere Personen müssen näm-lich im Erbfall unter Umständen wieder ausgeglichen werden oder es kommt zum Streit um unterschiedlich hohe Zuwendungen.
Sowohl die Höhe des Pflichtteils als auch der Wert eines Erbteils können sich durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers nach oben bzw. unten verändern.
Werden solche lebzeitigen Vermögensübertragungen vom Erblasser nicht genau ge-plant und mit der Erbfolgeregelung abgestimmt, wird hierdurch zuweilen der Grund für einen massiven Streit unter den Erben nach dem Eintritt des Erbfalls erst gesetzt.

10. Eltern und Geschwister erben nie
Eltern und Geschwister haben nur dann kein Erbrecht, wenn der Erblasser Kinder hat.
Wenn der Erblasser nicht verheiratet war und kinderlos ist, erben die Eltern.
Falls die Eltern nicht mehr leben oder ein Elternteil verstorben ist, treten die Geschwister an die Stelle der Eltern bzw. des Elternteils. Wenn der Erblasser verheiratet war, jedoch keine Kinder hatte, tritt der Ehegatte gemeinsam mit den Eltern, ersatzweise Geschwistern, das Erbe an (vgl. Irrtum 1.)

12. Anspruch auf lebzeitige Auszahlung des Erbes
Nicht selten sind Kinder der Auffassung, dass sie Anspruch darauf haben, zu Lebzeiten der Eltern vorab ihr Erbe ausgezahlt zu bekommen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Einvernehmlich kann mit den Eltern selbstverständlich eine Vereinbarung über vorweggenommener Erbfolge getroffen werden, einen einseitig durchsetzbaren Anspruch haben die Kinder darauf jedoch nicht.
Daher geht auch die regelmäßig auftauchende Frage, wie vermieden werden kann, dass die Eltern „ihr Erbe“ ausgeben, ins Leere. Die Kinder haben keinen Anspruch darauf, dass die Eltern ihr eigenes Vermögen sparsam verwalten, um es im Todesfall an die Kinder weitergeben zu können.

13. Stiefkinder erben ebenfalls
Stiefkinder haben kein Erbrecht, es sei denn, sie sind durch den Verstorbenen adoptiert worden.

14. Meine Erben müssen sich um die Grabpflege kümmern
Nur die Bestattung und die Erstausstattung des Grabes gehören zu den sogenannten Nachlassverbindlichkeiten. Zur Grabpflege sind die Erben nicht verpflichtet.

15. Am sichersten bewahre ich mein Testament in einem Bankschließfach auf
Besser aufbewahrt ist das Testament beim Nachlassgericht. Denn an das Bankschließfach kommen die Erben nur mit einem Erbschein, aber den gibt es nur mit einem gültigen Testament.
Weiterhin kann nicht ausgeschlossen werden, dass beispielsweise durch noch vorliegende Bankvollmachten eine Person Zugriff auf das Schließfach hat, die mit dem Inhalt des Testamentes nicht einverstanden ist.
Bedauerlicherweise „verschwinden“ nicht selten Testamente. In einem Todesfall wird das bei einem Gericht hinterlegte Testament hingegen automatisch eröffnet und sämtlichen Erben zugestellt.